Dow Jones Syndrom
Das positive Konsumklima in den letzten Dezemberwochen hat den finanziellen Erfolg der E-Cheese Company noch einmal richtig in die Höhe getrieben. In der Kategorie Küchen-Elektronik waren die Käsedrucker das am meisten verkaufte Geschenk für unter den Weihnachtsbaum. Auch die „Champagner-Edition“ der Vidi-Vino Bilder war ein großer kommerzieller Erfolg: Am Silvesterabend wurde das cauliflower-powerhosting System durch die zahlreichen Downloads fast zum Absturz gebracht. Was können die Quatschtronauten tun, damit sich der Aufschwung im neuen Jahr fortsetzt?
Als Snorrebaard zum ersten Jour Fix des neuen Jahres das kleine Besprechungszimmer betritt, muss er sich an dem „einarmigen Berater“ vorbei drängen.
„Krullestaart, was tut dieses Gerät hier im Raum?“, fragt er.
„Weißt du das nicht mehr? Diese Maschine hilft uns bei unserer strategischen Kursbestimmung. Seine letzten Empfehlungen haben sich als absolut richtig erwiesen…“
Snorrebaard nickt zustimmend.
„Und jetzt,“ sagt Krullestaart, „möchte ich wissen, wie wir noch besser werden als im letzten Jahr!“
Er schiebt ein 500€ Schein in den Schlitz und hängt sich am den Hebel.
„Achtung….“
Als er den Hebel los lässt rattert die Maschine einen Moment weiter, bis sich drei Wörter in der Mitte des Fensters einpendeln: „AN, DIE, BÖRSE.“
„An die Börse?“ liest Krullestaart sichtbar enttäuscht vor. „Das bedeutet also kein neues Spielzeug für meine Werkstatt? Keine Entwicklung von weiteren digitalen Delikatessen?“
Snorrebaard´s Augen dagegen leuchten… „An die Börse! … Dass ich da nicht früher darauf gekommen bin! Wer in der ersten Liga der Innovationsgiganten mitspielen will, braucht jede Menge Investmentkapital: mehr als wir jemals erwirtschaften können. Die Emissionserlöse würden völlig neue Geschäftsdimensionen ermöglichen…“
Krullestaart ist eher skeptisch. „Weißt du eigentlich was das bedeutet, an die Börse gehen? Wir werden Sklaven des Finanzmarktes! Willst du unsere Autonomie wirklich aufs Spiel setzten?“
„Ach, die Investoren interessieren sich doch nur für die Kursentwicklung.“ versucht Snorrebaard seinen Kollegen zu beruhigen. „Wenn die Zahlen stimmen, können wir machen was wir wollen.“
„Genau das ist das Problem! Die Kursentwicklung ist doch völlig unkontrollierbar! Aktienmärkte verhalten sich wie psychisch gestörte Patienten, die ohne rationellen Grund in Hysterie ausbrechen oder in Depressionen verfallen. Warte….“
Krullestaart macht sein Laptop auf und zaubert in wenigen Klicks den Wertverlauf seines Aktiendepots hervor. „Das ist doch der reinste Wahnsinn, oder?
Snorrebaard schweigt. Ein bisschen muss er Krullestaart schon Recht geben. Kurse entwickeln sich eher nach psychologischen, als nach wirtschaftlichen Prinzipien. Aber ist der Kern des Problems nicht gleich wohl auch der Kern der Lösung?
„Komm, gehen wir in mein Büro“, fordert er seinen Freund auf.
Krullestaart nimmt den Laptop unter den Arm und folgt ihm neugierig nebenan.
„Machen Sie es sich bitte bequem“, sagt Snorrebaard und zeigt auf eine Liege am Fenster.
Verdutzt legt sich Krullestaart hin.
Snorrebaard schiebt seinen Sessel heran und nimmt Platz.
„Jetzt schauen sie sich Ihr Depot noch mal genau an…. Welche Gedanken kommen in Ihnen hoch?“
„So eine Scheiße…“
Snorrebaard biegt sich nach vorne und redet bestimmt aber ruhig auf Krullestaart ein: „Versuchen Sie sich mal in ihre Wertpapieren einzuleben: Seit Monaten leiden diese am Dow Jones Syndrom und alle finden sie Scheiße. Logischerweise kämen Sie so nie aus Ihrer Depression raus, oder? Denken Sie doch mal positiv! Fällt ihnen vielleicht ein heiterer Ausruf ein, um ihre Aktien ein bisschen aufzumuntern?“
Verunsichert blickt Krullestaart Snorrebaard an. „Wow?“ sagt er leise.
„Wie bitte?“
„Wow.“
„Öffnen sie sich emotional für ihre Aktien. Lassen Sie es raus!“ feuert Snorrebaard ihn an.
„WOW!!!“
„Sehr gut!“
Auf Krullestaart´s Laptop macht die Kurslinie einen kleinen aber unverkennbaren Knick nach oben. Die mentalen Blockaden für einen erfolgreichen Börsengang sind behoben.
Die Quatschtronauten.